So funktionieren geloste Bürgerräte
Geloste Bürgerräte sind in vielen verschiedenen Varianianten durchführbar und unterscheiden sich in den verschiedenen Ländern. Die 6 folgenden Schritte zeigen Grundprinzipien, nach denen wir einen bundesweiten Bürgerrat konzipieren möchten.
Wir losen zufällige Bürger*innen aus ganz Deutschland aus
Es kann jeden in Deutschland gemeldeten Menschen treffen. Gelost wird nach Herkunftsort, Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund, um ein möglichst vielfältiges Abbild der gesamten Gesellschaft zu erhalten.
Wichtig ist dabei, dass wir alle möglichen Hürden abbauen, die Menschen daran hindern können, teilzunehmen. Ein wichtiger Bestandteil ist das von uns entwickelte Aufsuchende Losverfahren und eine einfache und einladende Kommunikation mit den Bürger*innen.
Die Bürger*innen treffen sich
Die ausgelosten Bürger*innen kommen an einem Ort zusammen, an dem sie Ruhe und Konzentration finden, um sich intensiv mit der Themenstellung auseinanderzusetzen. Bundesweite Bürgerräte dauern oft 3-5 Wochenenden, der Wahlkreisrat von Es geht LOS dagegen nur einen Tag. Zu Beginn steht das Kennenlernen im Vordergrund. Was ist das für ein Format? Wer sitzt noch mit mir im Bürgerrat? Mit welchem Thema werden wir uns beschäftigen?
Sie arbeiten in Kleingruppen
Das Besondere an einem Bürgerrat ist, dass viele unterschiedliche Menschen aufeinandertreffen – schließlich hat der Zufall entschieden. Um all diesen Menschen und Meinungen Gehör zu verschaffen, gibt es eine professionelle Moderation in den wechselnden Kleingruppen. Eine solche Form der Gesprächsführung ermöglicht, dass jede*r zu Wort kommt und gehört wird. So entstehen die besten Ideen.
Lösungen für ein konkretes politisches Thema
Die Teilnehmenden arbeiten in einer Kleingruppe an einer konkreten Problemstellung mit politischem Charakter. Hierbei kann es sich um ein Problem handeln, bei dem das Parlament keine Mehrheit findet und eine unabhängige Meinung sucht. Es kann sich aber auch um ein Thema handeln, bei dem die Bürger*innen das Gefühl haben, die Politik kümmere sich nicht ausreichend darum. Im kommunalen Bereich sind das oft Fragen der Infrastruktur, auf nationaler Ebene meist gesellschaftsstrukturelle Fragestellungen, wie beispielsweise die gleichgeschlechtliche Ehe und das Recht auf Abtreibung in Irland.
Expert*innen unterstützen die Gruppe
Viele der ausgewählten Menschen haben vielleicht sonst nicht so viel mit Politik am Hut oder sind in das Thema des Bürgerrats nicht eingearbeitet. Und genau darum geht es! Diese Initiative soll Politik zugänglich machen und Problemstellungen mit verschiedenen Lebensrealitäten konfrontieren. Damit dennoch genug Wissen für eine gemeinsame Entscheidungsfindung vorhanden ist, stehen ausgewählte Expertenschaft den Bürger*innen während des gesamten Prozesses zur Seite.
Die Expert*innen werden von einem unabhängigen wissenschaftlichen Beirat ausgewählt und decken das gesamte Meinungsspektrum des zum behandelten Themas ab. Es handelt sich nicht nur um Vertretende aus der Wissenschaft, sondern auch aus Wirtschaft und Verbänden, Zivilgesellschaft und entsprechenden Organisationen.
Es entsteht eine gemeinsame Empfehlung für die Politik
Am Ende werden alle Ideen, Vorschläge, aber auch Bedenken und Uneinigkeiten in einer konkreten Handlungsempfehlung zusammengefasst und an die Politik weitergereicht.
Hierbei wird das Abstimmungsverhalten aller Teilnehmenden abgebildet – sowohl die Anzahl der Zustimmenden also auch die Anzahl der Kritiker*innen beziehungsweise derer, die konkrete Zweifel äußerten. Aus den Teilnehmenden wird eine Resonanzgruppe gebildet, die als Ansprechpartnerin für die Parlamentarier*innen fungiert und die Anhörung und Umsetzung der Handlungsempfehlung verfolgt.
Häufig gestellte Fragen
Wie funktioniert das Auslosen?
Jene Menschen, die einen Brief erhalten haben, können zu- oder absagen. Bei einer Zusage erhalten die Bürger*innen zur Vorbereitung auf den Bürgerrat Informationsmaterial zum Thema des Bürgerrats und zum politischen Systems Deutschlands im Allgemeinen. Für die Teilnahme an einem Bürgerrat braucht es keinerlei Vorwissen – alle nötigen Informationen werden bereitgestellt oder gemeinsam erarbeitet.
Um 100 Teilnehmende zu ermitteln, werden ungefähr 800 Briefe versandt.
Wie läuft der Bürgerrat genau ab?
Nach einer Phase des Kennenlernens machen sich die Bürger*innen zunächst mit dem Thema vertraut. Was denken die Teilnehmenden über das Thema? Welche Bandbreite hat das Thema? Welcher Aspekt soll im Bürgerrat behandelt werden? Anschließend wird durch Vorträge von Expert*innen und Betroffenen der Blickwinkel auf das Thema erweitert und die Dimension der Problemstellung vorgestellt. In einer anschließenden Phase der Kleingruppenarbeit werden Lösungsvorschläge erarbeitet. Die Abstimmung über alle Vorschläge erfolgt im großen Plenum.
Wie wird die Unabhängigkeit sichergestellt?
Es gibt einen unabhängigen Beirat. Dieser begleitet den Bürgerrat und kann den Prozess und das Thema überwachen und hinterfragen. Außerdem wird durch die Durchführungsorganisationen sichergestellt, dass der Prozess nicht von Interessensgruppen gekapert und beeinflusst wird.
Aber dafür hat doch niemand Zeit?
Teilnehmenden eines Bürgerrats wird eine Aufwandsentschädigung bezahlt. Außerdem werden Reise- und Übernachtungskosten übernommen. Auch Kinderbetreuung wird angeboten, sodass möglichst viele Menschen die Möglichkeit haben, am Bürgerrat teilzunehmen.
Werden auch Politiker*innen eingebunden?
Um einen nachhaltigen Prozess zu sichern und die bestmögliche Umsetzbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen, ist eine Einbindung von Politiker*n an einigen Stellen des Prozesses sinnvoll. In Bezug auf Thema und Fragestellung ist sicherzustellen, dass rechtlicher und politischer Handlungsspielraum besteht. Auch bei der Arbeit der Kleingruppen ist es denkbar, zwischenzeitlich Politiker*innen zum Gespräch hinzu zu bitten. Das kann helfen, die Umsetzung der erarbeiteten Vorschläge zu ermöglichen.
Was passiert mit der Handlungsempfehlung?
Die Handlungsempfehlung eines Bürgerrats überzeugt durch ihre überparteiliche und vielfältig ausgearbeitete Lösung, bei der so viele Stimmen wie möglich berücksichtigt wurden. Sie wird dem Parlament zur Anhörung vorgelegt.